
Donnerstag, 7.Dezember 2006: Seit wir hier in Tunesien sind, machen wir kein Brot mehr
selber. Ein Baguette kostet nicht einmal 20 Rappen, da lohnt es sich nicht, selber zu
backen. Aber heute müssen wir Brot backen, und zwar ein Inverter-Brot ! Hier gibt es nur
Weissmehl zu kaufen und deshalb versuchen wir es diesmal mit Pizza-Mehl, wo wir noch
eine Handvoll deutsche Nüsse hinzufügen.
Mit ein wenig Unterstützung von Wolfgang hat Paul unseren neuen Windgenerator
montiert. Jessica, jetzt haben wir auch ein Windrädli, nur nicht so ein schönes Farbiges
wie du hast! Paul installiert ausserdem noch einen Inverter im Motorenraum. Das bereitet
ihm ziemliches Kopfzerbrechen, bis jeder Draht am richtigen Ort ist. Überhaupt sieht es an
Bord der MABUHAY so chaotisch aus wie im Epizentrum eines Erdbebens, wenn Paul hier
am arbeiten ist! Aber es funktioniert!!!
Mit unserem eigenen Windkraftwerk backen wir also heute Brot um alles zu testen. Der
Wind treibt unseren Windgenerator an. Die Energie die er erzeugt, wird in die
Bordbatterien eingespiesen. Der Inverter wandelt den 12 Volt-Gleichstrom der Batterien in
220 Volt-Wechselstrom um (hat Paul gesagt!). Damit haben wir ein Bordnetz von 220 Volt
zur Verfügung für diverse Haushaltgeräte und elektrische Werkzeuge, auch der Computer
wird damit betrieben. Und es funktioniert sogar! Wir geraten ganz aus dem Häuschen,
unser Inverter-Brot gelingt super. Ist das nicht toll? Ein Brot mit Windkraft gebacken!


Freitag, 8.Dezember 2006: Mein absoluter Lieblingsärger Nummer 1 ist die Poststelle von Hammamet Yasmine! Jedesmal wenn wir zur Post gehen, sind wir gespannt, was uns wieder für eine Überraschung erwartet. Heute bringen wir 2 Briefe mit je einer CD zur Post. Einer ist für unsere Tochter Claudia, einer für unseren Sohn Marcus. Die Poststelle ist eine schöne, moderne, helle Poststelle. Wenn man reinkommt, wird man als Erstes mal gar nicht beachtet, man kann freundlich grüssen, wie man will. Das gilt auch, wenn kein einziger anderer Kunde da ist. Dann schauen sich die anwesenden Angestellten, etwa 4 junge Frauen und 2 oder 3 junge Männer gelangweilt an. Jeder hofft, der andere hat vielleicht Lust, zu bedienen. Wir haben Glück, ein Fräulein hat ein wenig Lust zu arbeiten. Sie nimmt unsere Briefe und wägt sie. Beide sind 69 Gramm schwer. Sie sagt uns, was man da für Briefmarken draufkleben muss, blablabla. Ich verstehe kein Wort und getraue mich zu fragen: “warum?“ „Weil das normal ist!“ motzt sie mich gehässig an. Aha!
Langsam verstehe ich, worum es überhaupt geht. Sie zeigt mir auf der Tabelle, dass 69 Gramm schwere Briefe für die Schweiz 1 Dinar 400 Millimes kosten. Na also, wo ist denn das Problem? Das Problem ist, dass sie nur 600-er Briefmarken hat... Jetzt müssen wir pro Brief anstatt 1 Dinar 400Millimes, 1 Dinar 800 Millimes bezahlen. So geht das hier! Ich möchte noch eine 10 Stunden Karte von Wanadoo fürs Internet. Au das ist schwierig! Nun muss nämlich ein junger Mann (der ältere Chef ist nicht da) mit einem Schlüsselbund den Tresorraum aufschliessen. Es dauert und dauert bis er endlich wieder auftaucht. Er hat leider keine 10 Stunden Karte, ich muss 2 à 5 Stunden nehmen. Die 10 Stunden würden 9 Dinar kosten, die 2 x 5 Stunden kosten 10 Dinar. So geht das hier! Leider muss ich es sagen: wenn hier in Tunesien jemand unfreundlich ist, sind es immer die Frauen!!! Leider!

Sonntag, 10.Dezember 2006: Wir machen einen Bummel zur neuen Medina von
Hammamet Yasmine. Wir besuchen Abdul in seinem Teppichgeschäft. Den hatten wir vor fast 3 Monaten kennengelernt, während des Ramadans, und hatten ihm versprochen, ihn wieder mal zu besuchen. Er hat 8 Jahre lang in Bern gewohnt und wir können mit ihm Schweizerdialekt sprechen. Er offeriert uns sofort einen Tee und erzählt uns, wie eineTeppichqualität beurteilt wird. Er erklärt uns das plombierte Zertifikat auf der Rückseite des Teppichs. Es gibt in Tunesien 3 Arten
Teppiche herzustellen. Die meisten sind geknüpft. Dann gibt es die gewobenen, die heissen Kelim und die dritte Sorte hat auf lauter vernähte Fäden, aber ich weiss nicht mehr, wie die heissen.
Seit ein paar Tagen gibt es in unserem Hafen ein neues Duschenschlüsselsystem. Vorher mussten wir in der Capitaneria einen Schlüssel holen um zu duschen. Jetzt muss man eine Karte kaufen. Die kostet pro Person 20 Dinar und wenn man sie zurückgibt, bekommt man 10 Dinar retour. Die Karten für die Frauen- und die Männerduschen sind verschieden, man könnte also nicht nur eine Karte pro Familie kaufen! Clever oder?


Mittwoch, 13.Dezember 2006: Wir wollen einkaufen gehen hier in Hammamet Yasmine. Es ist etwa 13h00 und plötzlich regnet es sintflutartig. Wir retten uns, indem wir in einer Hoteleingangshalle warten und dort die Ausflugsangebote studieren. Endlich ist das Gröbste vorbei und wir können ins "Bravo", das ist ein Geschäft, wo man Lebensmittel kaufen kann. An der Brotausgabe und an der Kasse merkt man den Verkäuferinnen an, dass es ihnen so richtig stinkt, jemanden zu bedienen.
Heute ist das Wetter grau in grau und kalt ist es auch noch (vielleicht 17°). Wir machen uns einen gemütlichen Nachmittag an Bord der MABUHAY. Um 15h00 kommt Wind auf. Er wird immer stärker und stärker und um 16h15 hat Paul die Idee, wir könnten zum Strand und zur Hafenmole, um zu schauen, wie das Meer tobt. Und es tobt! Die Wellen kommen über die Hafenmauer geschossen und über den Strand ergiessen sich Sturzbäche von Meerwasser. Unser Spaziergang dauert nicht sehr lange, unterdessen regnet es nämlich wieder und der Wind ist so stark, dass wir kaum vorwärtskommen. Die Palmen werden total durchgeschüttelt
und sehen richtig verstrubbelt aus. Zurück im Schiff nimmt der Wind immer noch stetig zu. Die Schiffe zerren und rucken wie verrückt an den Leinen. Die Marineros eilen auf den Stegen hin und her um Schiffe, deren Besitzer nicht hier sind, besser zu befestigen und zu sichern. Das Motorboot links (backbords) von uns und das hölzerne Segelschiff rechts (steuerbords) sind mit Eisenfedern befestigt und vollführen wahre Bocksprünge neben uns. Der Wind kommt von Nordosten,
d.h.von rechts und die 23 Tonnen des Holzschiffes drücken brutal gegen
unsere MABUHAY. Wir sind "nur" mit Leinen angebunden und liegen ziemlich ruhig. Aber Paul befürchtet, dass die Klampen (ein Eisen, wo man die Leinen dran befestigt) am Schiff oder am Steg brechen. Ab zirka 20h00 kommen noch Blitz und Donner zu dem Inferno hinzu! Die Blitze folgen sich ununterbrochen, einer nach dem andern und erhellen die Szene gespenstisch. Paul steckt ständig den Kopf raus, um zu sehen, ob noch alles in Ordnung ist. Um 22h00 gehen wir ins Bett, d.h. ich bin im Bett und Paul steht nach 5 Minuten voll angezogen wieder im Cockpit um nach dem Rechten zu sehen. Er misst die Windstärke und meldet mir diese direkt in mein Bett runter. 51 Knoten oder 10 Beaufort oder 95km/h oder "Schwerer Sturm"!!! Ich liege in meinem warmen Bett, aber an Schlaf ist nicht zu denken! Es braust, tobt,stöhnt, pfeift und zerrt, regnet und dazu immer die Blitze
und der Donner! Manchmal tönt es wie ein vorbeiratternder Zug und das ganze Schiff erzittert. Endlich, so gegen Mitternacht schleicht sich Paul auch ins Bett. Aber er braucht nicht im Dunkeln zu schleichen, ich bin auch wach… Wir machen uns so unsere Gedanken und würden nicht einmal unserem ärgsten Feind wünschen, bei so einem Unwetter draussen auf dem offenen Meer zu sein!
Langsam lässt das Höllenspektakel nach, aber jetzt setzt der Schwell (die Bewegung des Wassers) ein und an Schlaf ist immer noch nicht zu denken. Irgendwann dösen wir dann aber trotz allem ein und erwachen bei strahlendem Sonnenschein, als ob gestern überhaupt nichts gewesen wäre.




Donnerstag, 14.Dezember 2006: Jetzt, bei Tageslicht, kann man sehen, dass der Sturm doch einigen Schaden angerichtet hat. Am Steg 22, d.h. an unserem, fehlen diverse Klampen. Beim Schiff "DOGETA", den Deutschen die mit uns in der Wüste waren, hat es gleich 2 Klampen ausgerissen. Beim Katamaran genau uns gegenüber fehlt eine Klampe. Die Franzosen Martine und Yves konnten das Getöse nicht ertragen und haben in einem nahen Hotel übernachtet. Heute Morgen stellten sie an ihrem Schiff 2 gebrochene und verbogene Klampen fest. Am Steg 21 und 20 war es scheinbar noch viel schlimmer; zerstörte Ruder, gebrochene Klampen an Schiffen und Stegen, abgerissene Scheuerleisten, usw. usw! Bei uns ist Gott sei Dank alles noch in Ordnung, nur unsere schöne Bernerflagge ist total zerfetzt und Paul's Nerven sind ein wenig ramponiert… aber sonst geht es uns gut!
Seit unser Windgenerator in Betrieb ist, wünscht sich Paul immer Wind, damit die Batterien schön
gefüllt werden, aber soooo viel Wind hätte es jetzt auch nicht gleich sein müssen. Immer diese Übertreibungen! Wir hören heute, dass die Spitzen bis zu 70 Knoten = 12 Beaufort = 130km/h = Orkan, betrugen. Die Hafenangestellten bemühen sich enorm, überall neue Klampen zu montieren und alles wieder in den Griff zu bekommen.
Um auf andere Gedanken zu kommen fahren wir mit dem Bus nach Hammamet Stadt, verschiedene Einkäufe zu erledigen. Zufällig, ohne eigentlich danach zu suchen, finden wir einen Laden wo man Wolle kaufen kann. Die Wolle wird nach Gewicht verkauft. Meine kostet 9 Dinar 500 Millimes pro Kilo (etwa 9 Fr. oder 6 Euro). Die Wolle wird auf eine vorsintflutliche Waage gelegt und mit Eisengewichten abgewogen. Auf dem Schiff muss mir Paul, auch wenn es ihm gar nicht passt, seine beiden Arme zur Verfügung stellen, damit ich die Strange Wolle in einen Knäuel Wolle umwandeln kann. Später wird dann der Knäuel Wolle in eine warme "Bommel-Mütze" für Jessica verwandelt. Der "DossPäpu" (für Deutsche: Grosspapa) hat die Farbe bestimmt! (Für Schweizer: Bommel = Pompon !)
Bevor wir uns auf den Rückweg machen, verdrückt Paul, ohne mit der Wimper zu zucken, eine ganze Tafel tunesische Schokolade, die übrigens sehr gut ist!
In den Bus steigt ein altes Berber-Grosi (für Deutsche: Grosi=Grossmütterchen) ein. Sie ist schwer beladen mit einem Sack und einer Tasche. Sie ist sehr bunt angezogen, wie alle Berberinnen (Berber sind die Ureinwohner Tunesiens) und unter ihren farbigen Röcken trägt sie eine schwarze Trainingshose. Ein junger Tunesier überlässt ihr sofort seinen Sitzplatz. Bravo, der hat noch Respekt vor dem Alter! In einer Ecke des Schultertuches, das die Frau trägt, hat sie eine Handvoll Münzen, genau abgezählt, eingeknotet. Die gibt sie nun dem jungen Mann und der löst beim Billeteur für sie ein Billet. Das Ticket knüpft sie nun sehr sorgfältig und fein säuberlich in die Ecke des Schals...



Samstag, 16.Dezember 2006: Es regnet und windet den ganzen Tag. Im Radio danken die Sprecher Allah für den Regen den er endlich geschickt hat! Wir richten uns für einen gemütlichen Lesetag an Bord der MABUHAY ein. Der 2-Liter Thermoskrug ist gefüllt mit heissem Tee und wir hocken jeder in „seiner“ Polsterecke des Salons. Kalt ist es eigentlich nicht, wir haben im Schiff 21,5°, ohne zu heizen. Plötzlich, um 11h00, ertönt ein scharfer Knall! Was ist jetzt schon wieder los? Wir stürzen beide wie die Feuerwehr an Deck um zu schauen, was passiert ist. Hat es diesmal uns erwischt mit den ausgerissenen Klampen?
Nein, es ist das grosse Motorschiff des Franzosen an unserer linken Seite. Die Kette, mit der er das Schiff auf unserer Seite befestigt hat, ist zerrissen. Der Besitzer ist nicht anwesend, er ist zu Hause in Frankreich. Zuerst will Paul das Schiff sichern, aber dann finden wir, es sei nicht seine Aufgabe. Wenn später irgendwelche Schäden festgestellt werden, ist er noch Schuld. Also macht er sich auf den Weg, einen Marinero zu finden. Es schüttet in Strömen und als Paul ohne Marinero zurückkommt, ist er klatschnass! Jetzt versuchen wir es per Telefon. Wozu hat man schliesslich ein Handy? Ich rufe in der Capitaneria an und nach 3 Minuten sind schon 2 Marineros mit einem grossen Seil da, um das Schiff wieder festzubinden.
Von 13h30 bis 18h00 sind wir bei „Dogeta“, bei Gerdi und Peter eingeladen zu einer schmackhaften Bohnensuppe und Wein. Ab heute haben die tunesischen Schüler Winterferien.
